Portraitfotografie

Die Anfänge der Portraitfotografie

Mit der Ausbreitung der Portraitfotografie setzte unter den Fotografen ein erbitterter Kon­kur­renzkampf ein. Auf der Basis einer großen Ab­nehmer­schicht hinsichtlich der Portraitfotografie konnte sie sehr schnell zu einer großen Indu­strie werden, und keineswegs zufällig stand die Por­traitfotografie im Mittelpunk der Fotografie. Infolgedessen findet die Atelier- beziehungsweise die Portraitfotografie weite Verbreitung – in Frankreich existieren um 1890 bereits über tausend fotografische Ateliers27 -, nicht zuletzt wegen des noch unhandlichen Apparates, der von der Mobilität der modernen Apparate noch weit entfernt ist. Zudem ent­stand bei dem aufstrebenden Bürgertum das Bedürf­nis, die erreichte soziale Stellung, Distinktion, Würde und Reputation im Portrait dauerhaft festhalten zu lassen.

In den nachfolgenden Ausführungen sollen zwei entgegengesetz­te Entwicklungslinien herausgearbei­tet werden, die der frühen Portraitfotografie inhärent sind.
Während die eine Entwicklungslinie von einem hohen künstlerischen Niveau gekennzeichnet ist, ästhetische Vollendung angestrebt wird und die authentische, ei­gentümlichen Ausdruckselemente des Modells in den Portraits Eingang finden, ist die andere Entwick­lungs­linie dagegen bestimmt von kommerziellen Gesichts­punk­ten. Das individuelle, aufwendige und künstleri­sche Portrait verkommt zu einer den Geschmacks­vor­stellungen breiter Schichten schmei­chelnden Massenware. Damit wird schließ­lich die fotografische Wahrheit zugun­sten konventio­neller Bildeffekte geopfert.28